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Commitment: Zielsetzung im Leadership

Wofür machen wir das? – Ebenso wie bei der Führung Anderer geht es auch bei der Selbstführung immer um das Setzen und Erreichen von Zielen. Den meisten Menschen, denen wir in unserer Arbeit begegnen, geht es so, dass sie entweder viel zu viele Antworten oder gar keine Antwort auf diese Frage haben. – Muss man den immer ein Ziel haben? Kann man nicht auch einfach das Leben leben, wie es sich nun mal entfaltet? – Doch, das kann und darf man. Nur sobald es uns ein Bedürfnis ist, unser Leben und Wirken bewusst(er) mitzugestalten, bedarf es der bewussten Zielsetzung. Sie eröffnet uns einen Möglichkeitenraum, gibt uns eine Richtung und aktiviert uns. Ohne Ziele entsteht nur selten Motivation und Aktivierung. Dann gibt es kaum konkrete Handlung und nur selten sichtbaren Fortschritt. Das Stecken von Zielen ermöglicht uns hingegen Bewegung. Wir setzen Prioritäten, treffen Entscheidungen, beobachten Fortschritte, reflektion unser Verhalten. Und – falls notwendig – gibt uns erst unsere Zielsetzung auch die notwendigen Impulse zur Verhaltensanpassung.

Wofür machen wir das?

Im Laufe unseres Lebens haben wir viel Wissen angehäuft, viele Fähigkeiten erworben und sind Experten auf Fachgebieten geworden. Wir haben Verhaltensweisen oder Kompetenzen eingeübt und Routinen entwickelt, die uns zielführend für unsere Entwicklung oder Zielererreichung erscheinen. Oft ganz bewusst, aber noch öfter ganz intuitiv und unterbewusst. Dann bemerken wir manchmal erst sehr viel später, wie sie uns auf zauberhafte Weise an unser Ziel gebracht haben.

Allerdings fällt uns manchmal im Nachhinein das Gegenteil auf: dass wir seit langem an etwas arbeiten und aus Gewohnheit Zeit und Energie in etwas investieren, aber uns unseres Ziels gar nicht (mehr) bewusst sind oder es aus den Augen verloren haben. Oder wir haben seit langem ein Ziel vor Augen, aber wir haben uns nie die Mühe gemacht, es mit den entsprechenden Vorbereitungen, Routinen und Handlungen zu verfolgen. Das kann sich anfühlen, als ob wir innerlich ins Schlingern geraten. Besonders dann, wenn wir augenscheinlich gerade auf einer Erfolgsschiene sind.

Wobei wir den Begriff Ziel im weitesten Sinne meinen: es kann ebenso eine Vision, ein Lebensgefühl, ein Alltagszustand oder ein konkret messbares Ergebnis gemeint sein. Nicht gemeint ist allerdings eine unerreichbare Wunschvorstellung oder ein utopischer Traum. Dies führt nicht nur irgendwann zu Frustration, sondern wirkt bereits von Beginn an de-aktivierend. Unser Gehirn merkt sowas nämlich sofort. Wie setze ich mir nun ein passendes, aktivierendes, motivierendes Ziel – für mein Leben und meine berufliche Tätigkeit? Und was kann ich tun – und was sollte ich auch mal lassen – um es tatsächlich zu erreichen? 

Zukunft entsteht durch Sprache

Wir erschaffen einen großen Teil unserer Zukunft zu allererst durch Sprache. Ein gutes Beispiel dafür ist die Eheschließung, wenn der/die Mitarbeitende im Standesamt deklaratorisch feststellt, „dass Sie nunmehr kraft Gesetzes rechtmäßig verbundene Eheleute sind“. Durch diese Worte entsteht Zukunft.

Wann immer wir eine klare Idee formulieren, eine Vision mit anderen teilen oder eine Erklärung wie die obige abgeben, eröffnen wir einen zukünftigen Möglichkeitsraum. Solange wir diese Zukunftsmöglichkeit nicht durch Sprache formen, entsteht meist auch kein konkreter Raum, in den wir uns bewusst hineinbewegen können. Es kann dann keine klaren Pläne und Maßnahmen geben, um diese Zukunft entstehen zu lassen. Und andere können uns auch nicht helfen, unsere erklärten Ziele zu erreichen. Natürlich entfaltet sich das Leben auch so und es bewegt sich vorwärts, unabhängig davon, ob wir eine Zukunftsvision aussprechen oder nicht. Aber sobald es uns ein Bedürfnis ist, unser Leben und Wirken bewusst(er) mitzugestalten, gibt uns unsere Zukunftserklärung eine Richtung vor und aktiviert uns. Ähnlich wie ein Straßenschild uns eine grobe Richtung und oft sogar einen konkreten Weg vorgibt.

Aktivierende Zielsetzung durch Zukunftserklärung

Eine solche Zukunftserklärung abzugeben, gehört zu den grundlegenden Fähigkeiten von Führung. Sei es, um unser eigenes Leben zu führen oder andere zu führen. Eine Zukunftserklärung enthält nicht nur eine Absichtserklärung an uns selbst. Wenn wir eine Zukunftserklärung abgeben, erzeugen wir auch in unserem Umfeld eine neue Realität, in der auch andere handlungsfähig werden.

Wenn der/die Mitarbeitende im Standesamt zwei Personen für verheiratet erklärt, entsteht eine Realität, in der auch Freunde, Familie, Institutionen und sogar der Staat mit diesen Personen als Paar nun neue Praktiken eingehen. Oder ein Staatsoberhaupt erklärt, es möchte der EU beitreten: dann öffnet das einen neuen Raum des Austausches und der Interaktion mit anderen Staatsoberhäuptern. Es entsteht eine klare Richtung für vielerlei Reformen und Handlungsperspektiven für Wirtschaft und Gesellschaft. Oder wenn wir als Unternehmer erklären, dass wir ein neues Produkt launchen, beginnen unsere Kunden und Wettbewerber sich auf dem Markt neu zu positionieren. Und wenn uns jemand seine Liebe gesteht, ist das nicht nur eine interessante Info. Es kommt bei uns zu einem Bewusstseinswandel, in dem sich unsere Stimmung, Handeln und Denken zu diesem Menschen verändern.

Ziel ist nicht gleich Ziel

Dabei gilt zu beachten: „Ziel ist nicht gleich Ziel“, wie die Psychologin Maja Storch schreibt. Als Begründerin des Zürcher Ressourcen Modells hat sie sich sehr intensiv mit den Themen Ressourcen, Potentiale und Ziele im Rahmen von Selbstführung auseinander gesetzt. In „Das Zürcher Ressourcen Modell. Gefühlsregulation und die Erzeugung von Sinn durch Motto-Ziele“ schreibt sie zusammen mit Julia Weber über Zielsetzung am Lebensende – eine berührende Perspektive. Dort unterteilt sie Zielsetzung und die sprachliche Formulierung von Zielen nochmal in drei Ebenen als eine Art Pyramide, die euch bei eurer Zielsetzung behilflich sein können.

  • Die Haltungsebene: diese betrifft die hohen, allgemeinen oder globalen, eher abstrakt formulierten Ziele. Meist handelt es sich um ein übergeordnetes Konzept und beschreibt die innere Haltung, die wir einem wichtigen Thema gegenüber haben. (Die Frage lautet hier: Warum? – Beispiel: Ich möchte Musik in meinem Leben einen Raum geben, weil sie mir Leichtigkeit, Freude und innere Erfüllung schenkt.)
  • Die Ergebnisebene: diese bezieht sich auf unseren Wunsch, was wir uns als Ergebnis unseres Ziels wünschen. Meist steigen wir bei Zielsetzungen über diese Ebene ein. (Die Frage lautet hier: Was? – Beispiel: Ich möchte Klavierspielen können.)
  • Die Verhaltensebene: hier befinden sich spezifische und lokale Zielformulierungen, die sehr konkret formuliert sind. Wir überlegen uns, welches Verhalten oder welche Handlung wir vorhaben, um die beiden oberen Ebenen zu erreichen. (Die Frage lautet hier: Wann? Wie? Wo? –  Beispiel: Ich werde mir ein Klavier kaufen, eine Klavierlehrerin suchen und täglich eine halbe Stunde üben.)

Zielsetzung – auf die Formulierung kommt es an

Maja Storch gibt in ihrem Kapitel „Wie Embodiment in der Psychologie erforscht wurde“ (aus dem Buch „Embodiment„) noch ein paar Hinweise, welche sprachlichen Formulierungen sich anbieten. Jenseits der Sachebene hat das besonders Einfluss auf das Gehirn und die körperliche Ebene, die wir integrieren wollen, damit sie uns nicht in die Quere kommen. Sie schreibt:

„Man kann sein Ziel in einer potenziellen Stress-Situation einmal als Vermeidungsziel formulieren: Ich möchte vermeiden, in Stress zu geraten. Den meisten Menschen fällt spontan diese Art der Zielformulierung ein, wenn man sie nach ihrer Handlungsabsicht angesichts bevorstehenden Stress-Situation fragt. Wenn man sein Ziel in dieser Form in Sprache fasst, gehen im Gehirn mehrere Arbeitsschritte vor sich. Zunächst wird eine innere Vorstellung von einer gestressten Verfassung aktiviert und in einem zweiten Schritt wird diese Verfassung dann als unerwünscht gekennzeichnet. Das entsprechend neuronale Netz wird zuerst aktiviert, um dann gehemmt zu werden.

Vom psychischen Energiehaushalt her gesehen entspricht das ungefähr der Taktik, zum Zwecke des Stehenbleibens in einem Ferrari erst den Gang einzulegen, Gas zu geben und dann die Handbremse zu ziehen. Ist sicher eine Methode, stehen zu bleiben, aber es gibt auch ökonomischere Varianten.

Die ökonomische Variante der Zielverfolgung für das Gehirn besteht in der Formulierung von Annäherungszielen. Sie fassen das in Worte, was Sie ausführen wollen. In welcher Verfassung wollen Sie sein? Wollen Sie souverän sein, oder selbstbewusst oder ruhig oder lieber in sich ruhend? Oder wollen sie wach und offen sein oder lieber auf sich selbst konzentriert? Wollen Sie charmant und hinreissend sein oder eher kompetent und ernst? Vielleicht wird Ihnen bei dieser Art von Fragen deutlich, dass es sehr viel mit der Passung auf die eigene Persönlichkeit zu tun hat, sich ein Annäherungsziel für ein Embodiment zu formulieren.“

Von der Zielsetzung zum Commitment

Hier wird deutlich, dass eine passende Zielformulierung eine gute Reflexion, ein neugieriges Ausprobieren und mehrere Schleifen des Verfeinerns benötigt. Maja Storch schlägt vor, das übergeordnete Ziel inklusive einiger Randbedingungen (wie zum Beispiel die Gefühlslage) in einer Annäherungs-Terminologie in Worte zu fassen. Dann findet der Teil des Gehirns, der für das Ausführen unseres Verhaltens zuständig ist, eine hilfreiche Grundlage vor. Eine sprachlich sorgfältig zusammengestellte, positiv verkörperbare Erklärung ist also der erste Schritt zur Gestaltung unserer Zukunft. Viele wissenschaftliche Untersuchungen haben bewiesen, dass wir Menschen eine bessere Selbstführung an den Tag legten, wenn wir uns zuvor intensiver mit dem „Warum?“ unseres Ziels beschäftigt hatten, als wenn wir stattdessen vor allem über die spezifische, konkrete Umsetzung unseres Ziels nachgedacht hatten.

Bevor wir uns an unsere eigenen Ziele machen, sei dies noch betont: Wir leben noch nicht sehr lange in einer Zeit und in einer Welt, in der es viele Möglichkeiten gibt, unser Leben und unsere Umwelt aktiv mitzugestalten. Für den größten Teil der Menschheitsgeschichte war dies nicht der Fall, und es gilt sicherlich noch lange nicht für alle Teile der Erde. Sich dies kurz bewusst zu machen, hilft, um unsere hohen Anspruchsvorstellungen an uns selbst zu relativieren. Zu hohe Ansprüche und zu hehre Ziele können der größte Stolperstein sein, wenn wir uns an die Gestaltung unserer Zukunft machen. Wir müssen mit unseren Zielen nicht gleich die Welt retten oder uns einer riesigen Mission unterwerfen. Kleine, erreichbare Ziele, die uns eine Richtung geben und für den Moment sinnvoll erscheinen, reichen völlig aus.

Zusätzliche Literatur

Storch, M., Cantieni, B., Hüther, G. & Tschacher, W.: Embodiment – Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. Hogrefe, München 2010
Weber, Julia und Maja Storch: Das Zürcher Ressourcen Modell. Gefühlsregulation und die Erzeugung von Sinn durch Motto-Ziele in: Berthold, D. & Gramm, J. (Hrsg.), (2017). Psychotherapeutische Perspektiven am Lebensende. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht.


Über die Autorin

Lena Schiller ist Politikwissenschaftlerin, Buchautorin und Coach. Sie hat den 1. Dan (Aikido) und 25 Jahren lang drei verschiedene Aikido-Arten trainiert. Sie ist Co-Director des House of Leadership und beschäftigt sich mit Transformation, Embodiment und Leadership.

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