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Spielend lernen? Wir sind hier doch nicht im Kindergarten!

Wer erinnert sich noch ans Eckenrechnen im Matheunterricht? Oder Mini-Lück? Viele von uns schauen wahrscheinlich mit etwas Neid auf die Vielfalt und Vielzahl an digitalen Lernspielen, mit denen Kinder sich heute ihrem Schulstoff spielerisch annähern dürfen. Auch wenn Lernspiele wahrscheinlich schon so lange existieren, wie der Mensch selbst, hat sich in diesem Bereich seit Einzug mobiler Endgeräte in alle Haushalte und (manche) Schulen wirklich viel getan.
Was ursprünglich für den Einsatz bei Kindern und in Schulen entwickelt wurde, hat in den letzten Jahren als Methode zur Weiterbildung und Entwicklung von Fähigkeiten auch in Unternehmen an Bedeutung gewonnen: das Game-based learning.

Was ist Game-based learning?

Game-based Learning ist ein didaktisches Format, das die Vorteile von digitalen Spielen nutzt, um die Lernmotivation, das Engagement und den Ausbau von Fähigkeiten bei Lernenden zu steigern. Und zwar weitreichender als klassisches Lernen das könnte. Damit bietet es auch für Unternehmen eine vielversprechende Alternative zu herkömmlichen Weiterbildungsformaten.

Unterschiedliche Studien haben bereits gezeigt, dass Game-based learning nicht nur dazu beiträgt, die Lernmotivation bei Mitarbeiter:innen zu steigern sondern vor allem auch komplexe Probleme und Konzepte aus der Unternehmenswelt zu vermitteln, die Lernergebnisse und die langfristige Verankerung des Gelernten bei den Mitarbeiter:innen zu verbessern und dabei sogar den Teamgeist zu steigern.

Ist das sowas wie Gamification?

Nicht ganz. Auf den ersten Blick scheinen Serious Games, Gamification und Game-based Learning Synonyme für Spiele-basiertes Lernen zu sein. Sie haben viel gemeinsam, unterscheiden sich allerdings in ihren Ansätzen und Zielen.

Gamification

Gamification macht das Lernen selbst zum Spiel. Bestimmte Spielelemente werden in nicht-spielbezogene Aktivitäten integriert, um sie interessanter und unterhaltsamer zu gestalten. Zum Beispiel das Sammeln von Punkten oder Auszeichnungen oder kleine Zwischenstopps, bei denen Quizze durchgeführt werden, bei denen es etwas zu gewinnen gibt. Gamification kann in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden, wie z.B. Marketing, Bildung oder im Arbeitsplatzmanagement. Das Ziel ist es, das Engagement und die Motivation der Benutzer zu steigern und sie dazu zu bringen, bestimmte Verhaltensweisen auszuführen oder bestimmte Ziele zu erreichen. Payback-Punkte sind hierfür wohl das bekannteste Beispiel oder die Sprachlern-App duolingo.

Game-based learning

Game-based learning hingegen beschreibt Spiele, die als Werkzeug eingesetzt werden, um Lerninhalte zu vermitteln. Diese werden zum Beispiel als kleine Lern-Lektionen oder Anwendungsfallbeispiele in das Spiel eingewoben. Die Spieler diese Inhalte auf spielerische und interaktive Weise verinnerlichen, während er ein komplettes Spiel spielt: mit einem richtigen Start, klassischen Spielloops, der Möglichkeit zu verlieren und einem klaren Spielende und der Möglichkeit zu gewinnen. Ein gutes Beispiel hierfür sind Escape-Games, die den Spielenden die Grundlagen von IT-Sicherheit oder Datenschutz vermitteln und online ebenso wie offline gespielt werden können.

Serious Games

Serious Games sind Spiele oder spielähnliche Systeme, die mit Spieltechnologie und Spieldesignprinzipien zu einem anderen Zweck als der reinen Unterhaltung entwickelt wurden. Die Spieler sollen durch das Spielen der Serious Games etwas lernen: zum Beispiel dadurch, dass ein Shooter oder Strategiespiel in den Kontext des zweiten Weltkriegs gesetzt wird und historisches Wissen über diese Zeit vermittelt. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Brettspiel Weimar, bei dem die Spielenden in die Rollen der vier Parteien der Weimarer Reublik schlüpfen. Serious Games haben also einen zusätzlichen inneren Wert, der in die Spielmechanik, die Erzählung und das Design eingebettet ist. Das unterscheidet sie von reinen Unterhaltungsspielen.

Beispiele für Game-based learning

Das wohl bekannteste Beispiel ist die Verwendung von GBL in der Schulung von Pilot:innen. Pilot:innen können durch die Verwendung von Flugsimulatoren ihre Fähigkeiten verbessern und ihre Erfahrung in einer sicheren und kontrollierten Umgebung erweitern. Aber es gibt viele kleine, einfachere, digitale Anwendungen, die einen hohen Lerneffekt haben.

Minecraft Education Edition

Minecraft Education Edition ist eine speziell für den Bildungsbereich entwickelte Version des beliebten Videospiels „Minecraft“. Es bietet eine Vielzahl von Lern- und Lehrwerkzeugen für Schulen aber auch in der beruflichen Weiterbildung, um das Verständnis für Mathematik, Naturwissenschaften, Sprachen, Projektmanagement und mehr zu fördern.

CodeCombat

CodeCombat ist ein Online-Spiel, das Kindern und Jugendlichen beibringt, wie man programmiert. Das Spiel ist auf unterhaltsame Weise gestaltet, so dass Kinder durch das Lösen von Rätseln und das Absolvieren von Aufgaben lernen, wie man Code schreibt.

SimCity

SimCity ist der bekannteste Städtebau-Simulator, der als Serious Game verwendet werden kann, um Wirtschafts- und Managementfähigkeiten zu verbessern. Es bietet eine Vielzahl von Szenarien und Herausforderungen, die es den Benutzern ermöglichen, ihre Fähigkeiten der Städteplanung und des -managements zu trainieren.

Foldit

Foldit ist ein Online-Spiel, das es den Benutzern ermöglicht, dreidimensionale Proteinmoleküle zu manipulieren und zu falten. Das Spiel wird als Serious Game verwendet, um die wissenschaftliche Forschung im Bereich der Biochemie und Molekularbiologie zu unterstützen.

Anno 2205

Anno 2205 ist ein Aufbauspiel, das als Serious Game verwendet werden kann, um Fähigkeiten im Bereich der Wirtschaft und der Ressourcenverwaltung zu verbessern. Es bietet eine Vielzahl von Szenarien und Herausforderungen, die es den Benutzern ermöglichen, ihre Fähigkeiten im Management zu verbessern.

Game-based learning für mehr Motivation

In ihrer Studie „Enhancing motivation in workplace training with casual games“ untersuchten der Game-Experte Karl M. Kapp und seine Kolleg:innen die Auswirkungen von Game-based Learning auf die Lern-Motivation von Mitarbeitern. Die lernenden Mitarbeiter wurden in zwei Gruppen unterteilt: eine durchlief ein Selbstlern-Programm auf einer Plattform, die sie nach jedem Einloggen zu einem kleinen Spiel herausforderte. Eine Kontrollgruppe durchlief das gleiche Lern-Programm allerdings ganz ohne Spiele.

Die Studie ergab, dass die Mitarbeiter:innen, die zwischendurch auf der Plattform Games spielten, sich häufiger einloggten und in den eingebauten Lernüberprüfungen deutlich besser abschnitten als die Kontrollgruppe. Daraus leiteten die Forscher ab, dass richtige Spielelemente im Lernprozess die Motivation der Mitarbeiter:innen erhöht und dazu beiträgt, dass ihre Kenntnisse und Fähigkeiten sich verbessern. In seinem Artikel „Gamification: Separating Fact From Fiction“ erläutert Karl M. Kapp den Grund für den Motivationsschub: Games sind nicht nur interaktiv sondern bieten den Spieler:innen ein hohes Maß an Kontrolle, Flexibilität und Autonomie. Sind diese Zustände erst einmal aktiviert, werden sie auf die darauffolgenden Aktivitäten – in diesem Fall auf das Lernen – übertragen.

Game-based learning für mehr Praxisnähe

Games mit klassischen Elementen eines Videospiels können außerdem ein praxisnahes Lernumfeld schaffen. Damit werden die Lerninhalte aufgewertet und ihre spätere Anwendung im Beruf vereinfacht.

Der Game-Experte Nikolaus Staudacher ergänzt in seinem Artikel „Digitale Spiele und ihr Potenzial als Bildungs- und Lernräume“, dass GBL auch eine Möglichkeit bietet, komplexe Probleme und Konzepte zu vermitteln. Videospiele können vielschichtige Szenarien und Situationen durch Storytelling gut simulieren. Dies ermöglicht den Spielenden, umfassende Konzepte zu verstehen und praxisnahe Probleme experimentell zu lösen. So können sie im Spiel ihre Fähigkeiten zunächst in einer sicheren und kontrollierten Umgebung verbessern, bevor sie sie in der realen Arbeitsumgebung anwenden.

Er schreibt zusammenfassend: „BefürworterInnen des Game-Based Learnings sehen in digitalen (Lern-)Spielen eine vielversprechende Form des aktiven, selbstgesteuerten, konstruktiven und situierten Lernens, das einen Paradigmenwechsel von traditionellen und eher passiv ausgerichteten Lernformen, in denen das reine Verstehen und Speichern im Vordergrund stehen, einleiten könnte. Denn im Gegensatz dazu ist spielbasiertes Lernen mit intrinsischer Motivation verbunden und regt strategisches Denken in einem Kontext an, wo Problemlösungen mit verschiedenen Handlungsalternativen gekoppelt sind und das Durchdenken und Erkunden komplexer Situationen vorausgesetzt werden.

Warum sich Game-based learning für Unternehmen lohnt

Viele Games bieten neben den oben genannten Vorteilen für die Lernenden auch den Unternehmen die Möglichkeit, einige Aspekte ihre Weiterbildung zu verbessern – und damit die Effizienz und den Effekt ihrer Maßnahmen zu erhöhen: Spielende können in einer realitätsnahen und dennoch von der Realität abgegrenzten Umgebung ein immersives Lernerlebnis erfahren.

Durch das Spielen werden neben der Vermittlung von Wissen grundlegende Fähigkeiten für gelingende Zusammenarbeit und Führung vermittelt.

Kognitive Kompetenzen wie Konzentration, Abstraktion, logisches Schlussfolgern, Gedächtnis, Problemlösung, Informationsverarbeitung, strategisches Planen werden aktiv ausgeübt und somit nachhaltig verbessert. Das Gleiche gilt für die Sozialkompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Konfliktlösung, Empathie, Zusammenarbeit, Interaktion und persönlichkeitsbezogene Kompetenzen wie kritische Reflexion, Einfluss von Charaktereigenschaften, Auseinandersetzung mit Identität und emotionale Selbstkontrolle, Frustrationstoleranz und Selbstbewusstsein.

Damit hat Spielbasiertes Lernen einen ausgewiesenen Vorteil gegenüber klassischer Weiterbildung. Außerdem beinhalten digitale Lernspiele meist die Möglichkeit, den Fortschritt der Mitarbeiterinnen zu verfolgen – direkt oder anonymisiert. Die Anwendungen enthalten zudem meist direkte Feedback- und Bewertungsmöglichkeiten, die es den Unternehmen ermöglichen, Rückmeldung zu den Lerninhalten zu erhalten. Diese Funktionen helfen den Unternehmen dabei festzustellen, welche Themen in der Weiterbildung fokussiert oder intensiviert werden müssen.

Ein Vorteil, der besonders ein erstmaliges Austesten von Game-based learning für Unternehmen erleichtert, ist der niedrige Preis und der zusätzliche Kosteneffekt. Denn in Unternehmen ist Weiterbildung nicht nur mit hohen direkten Kosten verbunden, sondern auch die indirekte Kosten, die durch Arbeitszeitausfall entstehen, sind immens. Durch die Verwendung von Games-based learning können Unternehmen die Schulungszeit reduzieren, dabei die gleichen Ergebnisse erzielen.

Hürden bei der Einführung von Game-based learning

Es gibt natürlich auch Herausforderungen bei der Implementierung von Game-based learning in Unternehmen. Eine der Herausforderungen ist die derzeit noch geringe Verfügbarkeit wirklich geeigneter Game-Anwendungen für den Arbeitskontext. Unternehmen müssen sicherstellen, dass die Anwendungen, die sie verwenden, die Fähigkeiten und Kenntnisse wirklich angemessen vermitteln, richtige Game-Elemente enthalten und die gesteckten Lernziele erreichen können. Außerdem gilt es darauf zu achten, dass keine aufwendige Schulung für die Nutzung des digitalen Spiels notwendig ist, sondern dieses intuitiv nutzbar ist.

Sicherlich gibt es auch Bedenken hinsichtlich der Akzeptanz. Einige Mitarbeiter könnten eine Weiterbildung im Spielformat als unwichtig oder unprofessionell empfinden. Es kann auch schwierig sein, Mitarbeiter mit weniger Erfahrung mit digitalen Technologien zu überzeugen. Einige Kritiker befürchten außerdem, dass Spiele im Arbeitsumfeld zu Ablenkungen führen können und die Produktivität sinkt.

Woran ein gutes digitales Lernspiel zu erkennen ist

Es gibt fünf Hauptfaktoren von Spielen, die wesentlich für das Design von Anwendungen im Game-based learning betrachten.

Der erste Faktor ist die Herausforderung, die ein Spiel bietet. Eine angemessene Herausforderung kann die Spieler:innen motivieren und das Lernen unterstützen. Der zweite Faktor ist das Feedback, das den Spieler:innen eine direkte Rückmeldung über ihre Handlungen gibt. Feedback sollte unmittelbar und präzise sein, um effektiv zu sein.

Faktor drei ist die Belohnung, die Spieler:innen für ihre Leistung erhalten. Belohnungen können unterschiedlich gestaltet sein und sollten auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Spieler:innen abgestimmt werden. Ein vierter Faktor ist die Interaktion, die Spieler:innen innerhalb des Spiels miteinander oder mit einem imaginären Spielpartner haben. Eine kooperative oder wettbewerbsorientierte Interaktion kann das Lernen unterstützen und die Zusammenarbeit fördern.

Der letzte Faktor ist die Immersion, die die Spieler:innen in die Spielwelt eintauchen lässt. Eine immersive Spielwelt kann das Lernen fördern, indem sie eine realistische Umgebung schafft, in der die Spielerinnen ihre Fähigkeiten anwenden können.

Zusätzliche Literatur

https://www.chaostheorygames.com/blog/serious-games-guide-everything-you-need-to-know-in-2021 – Serious Games Guide: Everything you need to know in 2021 by Nico King
Yen-Ru Shi and Ju-Ling Shih, Game Factors and Game-Based Learning Design Model, Hindawi Publishing Corporation
Karl M. Kapp, Enhancing motivation in workplace training with casual games: a twelve month field study of retail employees
Karl M. Kapp, Gamification: Separating Fact From Fiction
Nikolaus Staudacher, Digitale Spiele und ihr Potenzial als Bildungs- und Lernräume

Über die Autorin

Lena Schiller ist Gründerin, Politikwissenschaftlerin, Buchautorin und Coach. Sie hat den 1. Dan im Aikido und liebt Triathlon. Sie ist Co-Director des House of Leadership und beschäftigt sich mit Transformation, Embodiment und Leadership.

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